Enshittification: Wie digitale Plattformen sich selbst zerstören – und was das für Unternehmen bedeutet
Die digitale Welt ist ein Ort großer Versprechungen – aber auch eine Brutstätte enttäuschter Hoffnungen. Was einst als offenes Spielfeld für Kreativität, Innovation und faire Chancen galt, hat sich für viele zur Sackgasse entwickelt. Plattformen, die einst nutzerfreundlich waren, verkommen zu Labyrinthen aus Werbung, algorithmischen Sackgassen und inhaltsleeren Platzhaltern.
KI-generierte Inhalte überfluten das Netz, oft ohne jegliche Qualitätskontrolle. Das Ergebnis? Eine endlose Flut an belanglosen, schlecht recherchierten und austauschbaren Texten, die das Vertrauen der Nutzer erodieren lassen. Diese schleichende Verschlechterung digitaler Plattformen wird von Cory Doctorow treffend als „Enshittification“ bezeichnet. Er argumentiert, dass dieses Phänomen nicht nur durch Risikokapital verursacht wird. Auch dezentrale Plattformen wie Mastodon sind anfällig für ähnliche Probleme, wenn keine bewussten Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Projekte wie 'Free Our Feeds' zeigen, wie digitale Inhalte zurückgewonnen und nutzerfreundlicher gestaltet werden können. Das Problem ist also nicht allein ein Produkt profitorientierter Plattformen, sondern eine systemische Herausforderung. – ein Zyklus, der Nutzer ködert, Werbetreibende ausbeutet und schließlich das gesamte System gegen die Wand fährt.

Die Mechanik der Enshittification
Das Muster ist immer gleich:
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Phase – Nutzer gewinnen: Die Plattform lockt mit attraktiven Funktionen und kostenlosen Angeboten. Alles ist einfach, nützlich und (scheinbar) auf die Bedürfnisse der Nutzer ausgerichtet.
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Phase – Geld verdienen: Werbung wird eingebunden, Algorithmen werden angepasst. Organische Reichweiten sinken, während bezahlte Inhalte bevorzugt werden. Die Nutzererfahrung beginnt sich zu verschlechtern.
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Phase – Maximale Profitausschöpfung: Nutzer und Werbetreibende werden systematisch ausgenommen. Anzeigen werden teurer, die Plattform immer unbrauchbarer. Die ersten springen ab, der Rest bleibt aus Gewohnheit – bis auch sie genug haben.
Dieses System hat sich bei nahezu allen großen digitalen Plattformen etabliert. Ob soziale Netzwerke, Suchmaschinen oder E-Commerce – überall dieselbe Strategie. Und überall dasselbe Ergebnis: eine stetig sinkende Qualität bei steigenden Kosten.
Plattform- und Ökosystemverfall: Der doppelte Niedergang
Plattformverfall ist das, was Nutzer direkt erleben: Eine ehemals hilfreiche Plattform wird zunehmend unbrauchbar. Beispiel Google: Die einst führende Suchmaschine setzt zunehmend auf KI-generierte Zusammenfassungen, die oft fehlerhaft oder irreführend sind. Der Mehrwert für den Nutzer? Sinkt.
Ökosystemverfall trifft die Umgebung: Website-Betreiber optimieren Inhalte nicht mehr für Menschen, sondern für Algorithmen. Statt fundierter Artikel gibt es Clickbait, weil das besser rankt. Das Web wird qualitativ schlechter – und irgendwann leidet auch Google selbst darunter, weil der durchsuchte Inhalt immer irrelevanter wird.
Dieser doppelte Verfall zeigt: Enshittification ist kein reines Plattformproblem. Es ist eine Krankheit, die das gesamte digitale Ökosystem infiziert.
Warum das Marketing betroffen ist
Für Unternehmen bedeutet das: Die Wahl der digitalen Plattformen sollte nicht allein auf deren Finanzierungsmodell basieren, sondern auch auf ihrer Governance-Struktur. Unternehmen müssen Plattformen unterstützen, die Transparenz, Nutzerkontrolle und Qualität in den Vordergrund stellen. Nur so können sie langfristig von einer stabilen und vertrauenswürdigen digitalen Umgebung profitieren.
Die Auswirkungen sind gravierend – insbesondere für Unternehmen, die auf digitale Kanäle setzen.
1. Sinkende organische Reichweite
Ohne Werbebudget geht nichts mehr. Wer früher mit gutem Content organisch wachsen konnte, sieht sich heute mit sinkenden Reichweiten konfrontiert. Pay-to-Play ist das neue Mantra.
2. Teurere, ineffektivere Werbung
Die Kosten für Online-Werbung steigen, während ihre Effektivität sinkt. Die Nutzer haben gelernt, Anzeigen zu ignorieren oder sie mit Ad-Blockern auszublenden.
3. Inhaltsinflation ohne Qualität
Der Markt wird überflutet mit minderwertigen, algorithmisch optimierten Inhalten. Wer als Marke bestehen will, muss sich radikal von dieser Masse abheben – was schwieriger ist als je zuvor.
4. Vertrauenskrise der Konsumenten
Menschen misstrauen Markenbotschaften zunehmend. Zu oft wurden sie mit irreführender Werbung und personalisierten Anzeigen bombardiert, die mehr creepy als hilfreich sind.
Wie Marken sich dagegen wappnen können
Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, müssen sich von kurzfristigen Plattform-Taktiken lösen und echte Beziehungen zu ihren Kunden aufbauen.
1. Eigene Kanäle stärken
Unabhängige Kommunikationswege werden entscheidend. Wer sich nicht von Algorithmen abhängig machen will, setzt auf eigene Websites, Newsletter oder geschlossene Communities.
2. Qualität statt Quantität
Massencontent bringt nichts. Besser sind fundierte, tiefgehende Inhalte mit echtem Mehrwert. Marken müssen sich fragen: Würde ich diesen Inhalt selbst lesen?
3. Datenschutz und Ethik ernst nehmen
Weniger Tracking, mehr Transparenz: Wer Kunden nicht mit übergriffiger Personalisierung abschrecken will, muss alternative Wege der Kundenansprache finden.
4. Plattform-unabhängige Strategien entwickeln
Ein Mix aus Online- und Offline-Kanälen, Podcasts, Print-Medien und Direktmarketing sorgt für eine geringere Abhängigkeit von einzelnen Plattformen.
5. Menschliche Verbindung statt Algorithmus-Optimierung
Authentische Beziehungen schlagen jeden Algorithmus. Marken müssen echte Dialoge führen, statt nur mit KI-generierten Texten zu interagieren.
Fazit: Weniger Anpassung, mehr Eigenständigkeit
Enshittification ist keine unausweichliche Naturgewalt – sie ist das Ergebnis unternehmerischer Entscheidungen. Unternehmen, die sich nicht vollständig den Plattformlogiken unterwerfen, sondern eigene Wege gehen, werden langfristig erfolgreicher sein. Der Schlüssel? Weniger Anpassung an fragwürdige digitale Entwicklungen, mehr Unabhängigkeit und echtes Engagement für die Kunden.
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